Bewegung tut gut

Vor einer Woche war ich bei meinem Arzt, um über das Ergebnis meiner Langzeit-Blutdruckmessung zu sprechen. Wie erwartet ist mein Blutdruck zu hoch (die konkreten Zahlen sagen mir nichts), und meine Blutprobe hat ergeben, dass mein Vitamin B12 Niveau sehr niedrig ist (bei Vegetarianern nichts ungewöhnliches). Ich nehme jetzt also ein neues Medikament für den Blutdruck, und Vitamintabletten. Weil sie in Norwegen gegenüber Vitaminpräparaten eher skeptisch sind, gibt es die auf Rezept aus der Apotheke.

Außerdem bin ich zu dick, und sollte mal Gewicht verlieren, meinte mein Arzt. Kleine Änderungen könnten schon reichen, wie zum Beispiel zuckerfreie Brause trinken. Ich trinke keine Brause, habe ich ihm gesagt. Zucker im Kaffee habe ich auch nicht, ich trinke ja keinen Kaffee. Und in meinen Tee kommt nichts außer Milch. Ja, dann sollte ich mich mal sportlich betätigen. Fitnesscenter habe ich aber ja leider auch keines in der Nähe.

Wir haben uns dann geeinigt, dass ich einmal am Tag irgendwie eine halbe Stunde ins Schwitzen kommen soll, ob nun auf dem Fahrrad oder laufend. Und seit einer Woche mache ich jetzt in der Mittagspause eine Wanderung um unsere Insel, über den Küstenpfad, der sich durch die Strandzone windet, und so steinig und voller Wurzeln wie der ist, komme ich da auch ohne zu joggen (ich hasse joggen!) ein wenig außer Atem. Aber vor allem tun mir meine Beine weh vom Muskelkater. Ich bin eben furchtbar außer Form. Das ist eine gute Strecke, mein Telefon meint, 5000 Schritte, und es dauert 50 Minuten. Das schwierigste ist, mich von der Arbeit frei zu machen, und mir da insgesamt mehr als eine Stunde Mittagspause zu gönnen, ohne dass ich mich als Drückeberger fühle. Aber Gesundheit ist halt wichtig. Und mein Hörbuch hören kann ich dabei auch.

Bin ein bisschen stolz, dass das an jedem Tag geklappt hat, außer Mittwoch, wo ich im Büro arbeite, und Samstag, wo ich erst im Dunkeln wieder daheim war nach dem Kinder-Programmierklub. Auch an den beiden Tagen bin ich aber viel zu Fuß unterwegs, wenn ich auch nicht gerade ins Schwitzen komme.

Mal gucken, ob es was bringt. Schön wär’s auf jeden Fall.

Pendeln ist asozial

Heute war ich im Büro, was bedeutet, dass ich mich mal wieder dem Zugverkehr aussetzen musste. Auf der Hinreise habe ich verpennt, ein Ticket zu lösen, ehe ich in den Zug eingestiegen bin, aber dank App kann man das ja noch schnell lösen, ehe die Schaffnerin kommt. Dachte ich. Aber wie ich da sass, und das Ticket bezahlen wollt, sagt mir das Teil, dass der Zug leider überfüllt ist, und es keine Tickets mehr zu kaufen gibt. Probieren sie doch bitte einen späteren Zug. Na, das hört man ja sicher gerne, wenn man morgens zu einem Termin will, und ich habe dann in Panik ein späteres Ticket gelöst, welches die App sich dann aber vor der Stichzeit eine halbe Stunde später anzuzeigen weigert. Zum Glück hat es dann aber niemand sehen wollen.

Auf der Heimfahrt dann ein schon bekanntes Muster:  Der Zug um 16:15 fällt aus, wegen Unregelmässigkeiten in der Nähe von Skøyen. Da ist glaube ich vor mehreren Tagen die Oberleitung runtergefallen. Der Folgezug eine halbe Stunde später hatte 15 Minuten Verspätung, das ist der Express, der nicht an den schlimmsten Pendelbahnhöfen hält, dafür aber grottige Wagen hat, ohne Tische, an denen man arbeiten könnte. Wenn man denn überhaupt einen Sitzplatz kriegen könnte, in einem Zug, der doppelt beladen ist, wil sein Vorläufer ja eben ausgefallen ist.

Nach der Hälfte der Fahrt konnte ich sitzen, und mir gegenüber sassen zwei ältere Herren, offenbar Pendler aus Oslo, die sich über die Verspätung ärgerten, und den Schaffner dazu zur Rede stellten. Als wenn Schaffner irgendeine Macht hätten, daran etwas zu ändern, aber immerhin konnte er erklären, warum das alles so schlimm ist, jahrzehntelange Misswirtschaft bei der Instandsetzung in allen Sektoren: Gleise, Signale, Züge, die jeder ein eigenes Subunternehmen sind, und dem Verkehrsministerium unterestehen, dass seit dren Regierungseintritt von der FrP geführt wird, die eine passionierte Autofahrerpartei ist. Das ist seit letzter Woche endlich vorbei, denn die Rechten habenn sich aud der Regierungskoalition zurückgezogen – wahrscheinlich weil sie ihre Asylpolitik nicht repräsentiert sehen, genau verstanden habe ich es auch nicht, aber heilfroh bin ich. Norwegische Politik halt.

So hat es mit dem Wocheneinkauf im Dorf noch bis nach 19 Uhr gedauert, um endlich zu Hause zu sein. Zum Essen machen bin ich gerade zu kaputt, ich futtere Käsebrote, obwohl ich eigentlich Tacos geplant hatte, mit dem restlichen Reis von gestern. Der hält sich aber hoffentlich noch einen Tag.

Treffend fand ich die Aussage von einem der alten Herren: Diese Verspätungen machen einem das Sozialleben kaputt. Genau so fühle ich das auch, statt schön zu kochen und noch etwas zu spielen, oder mal bei den Freunden rein zu schauen werde ich mir jetzt nur noch eine Folge Fernsehen reinziehen.

Entdeckung des Tages: Die leckeren veganen Beyond Burger gibt es jetzt auch beim REMA im Dorf, nicht nur in der Stadt.

Glück im Unglück?

Der Mann von der Versicherung war da, und hat sich den Schaden angeschaut. Offenbar bin ich dieses Mal mit einem blauen Auge davon gekommen, weil das Wasser nicht in die Wände oder das Parkett im Nebenraum eingedrungen ist. Er meinte, da müsse ich nur das Rohr frei machen lassen, und das bleibt dann in den Kosten unter der Selbstbeteiligung, also kein Versicherungsfall nötig.

Einen Klempner hat er mir empfohlen, was gut ist, weil ich ja mit dem örtlichen in der Vergangenheit so meine Probleme hatte. Der hatte auch schon am Montag Zeit für mich.

Nach lautem Fluchen, als ich realisiert habe, dass 8 Uhr morgens wegen der Zeitumstellung ja quasi 7 Uhr ist, und damit nicht nur früh, sondern unmenschlich früh, ist der Mann dann pünktlich gekommen und hat sich total rein gekniet, um den Fehler zu finden, nicht nur die Symptome zu beheben. Denn als er kam, lief der Abfluss plötzlich erst prima, wie schon bei der Schadensaufnahme, und dann plötzlich überhaupt nicht, wie am Tag des Schadens.

Nach intensiver Sucher mit allerlei Werkzeug und so einer Kamera an einer langen Nabelschnur war es dann endlich klar:

Der Abfluss geht in ein Rohr, das eigentlich in meine Pumpzisterne gehen sollte. Da mein am Hang Haus unterhalb der Straße und Kanalisation liegt, muss das Abwasser hoch gepumpt werden. Das Wasser kommt aber in der Zisterne nie an, und das Rohr ist auch nicht mit ihr verbunden, wie die Kamera uns gezeigt hat.

Statt dessen geht das Wasser aus meiner Waschmaschine in einem langen Rohr direkt bis zum Strand und ab in den Fjord. In den 80ern hat man das mit dem Abwasser und Schutz der Strände offenbar noch nicht so eng gesehen. Dieses Rohr ist kaputt, und zwar unterhalb des Nachbargrundstückes, etwa 8 Meter vom Ausgang. Wir konnten beobachten, wie das Wasser aus dem Erdreich kam, statt aus dem Ende des Rohres, und die Kamera zeigte dann, dass es voller Sand ist, wahrscheinlich weil das Plastik an der Stelle gebrochen ist.

Das erklärt, warum der Abfluss meistens funktioniert, aber an manchen Tagen nicht: Wenn das Rohr voll ist, und das Wasser nur langsam durch Sand und Erdreich weg sickert, kann die Waschmaschine nicht noch mehr hinein spülen, ohne dass der Keller überflutet. Ich habe die Theorie inzwischen getestet, indem ich eine Woche gewartet habe, und dann eine Wäsche gemacht habe, die ich vorsichtig beobachtet habe, und bei der es keine Katastrophe gab.

Jetzt ist es aber nicht mehr 1984, und das bedeutet, die Reparatur sollte ordentlich gemacht werden. Abgesehen davon, dass ich das Rohr nicht zur Reparatur aus dem Rasen vom Nachbarn ausbuddeln will, wird so ein Projekt auch sicherlich nicht genehmigt, denn die Vorschriften haben sich bestimmt geändert, und schreiben mir sicher (ich habe das noch nicht nachgeguckt) vor, dass Abwasser in die Kanalisation gehört. Also sollte das Rohr in die Zisterne gehen, und das heißt, auf meinem Grundstück muss gebuddelt werden.

Auf jeden Fall aber wird die Sache damit aber doch teuer genug für die Versicherung. Weil mein Eingenanteil aber relativ happig ist, hätte ich es gerne gesehen, dass die Versicherung der Vorbesitzer das übernimmt. Wenn der Defekt nämlich schon beim Verkauf existiert hat, ohne im Kaufprospekt zu stehen, dann ist das in gewissen Fällen ein Fall für die Eierskifteforskiring (Besitzübergabeversicherung?). Die wollen aber erst einmal alle Dokumente vom Hauskauf haben, ehe sie sich äußern, ob sie überhaupt zuständig sind, und ich habe die nicht in elektronischer Form gehabt, bzw. in einem Fall auch nicht mehr gefunden, das zieht sich also hin. Gleichzeitig warte ich auf den Bericht des Klempners, damit ich den meiner Versicherung schicken kann, damit die entscheiden, ob wir den Fall bei denen wieder öffnen.

Beide Versicherungen sagen mir, ich soll nichts unternehmen, ehe sie nicht zugestimmt haben. Das buddeln kann gerne warten, aber ich musste am Wochenende endlich mal wieder Wäsche machen, der Tatort ist also nicht mehr unberührt.

Im schlimmsten Fall macht das ganze also meine Versicherung, und in keinem Fall sollte es mich mehr als den Eigenanteil kosten. Mein Keller wird nicht den ganzen Sommer zur Baustelle (mein Garten natürlich eventuell, aber dafür wird es dort dann besser als vorher). Insgesamt ein eher erfreuliches Resultat eines unerfreulichen Ereignisses, finde ich.

Jugendsünden

Vor einer Woche ist mein neuer PC gekommen. Nachdem der Wunsch-PC nicht geliefert werden konnte, habe ich bei einem anderen Händler ein Modell bestellt, das ebenfalls gebraucht ist, aber für meine Zwecke noch fünf Jahre halten sollte. Es gab ein paar Startschwierigkeiten, so hatte ich z.B. keine Adapter für meine alternden Monitore, und konnte auch nirgendwo in der Stadt welche auftreiben, aber nachdem das gelöst war, habe ich den größten Teilder vergangenen Woche damit verbracht, meine Daten vom alten auf den neuen Rechner zu kopieren.

Dabei bin ich erneut über ein Kleinod gestolpert, das ich schon vor einigen Wochen auf einer alten Diskette gefunden hatte: Ein Textadventure, das ich zur Schulzeit mit meinen Freunden Arbo und Hans geschrieben habe, offenbar für eine Schulaufgabe in der Listen verwendet werden sollten.

Natürlich habe ich wieder einmal nur den Quelltext gehabt, keine ausführbare Datei, und da das Spiel für Turbo Pascal unter MS-DOS entwicklet wurde, war es nicht ganz so einfach, es zum Laufen zu bekommen.

Heute war Programmierklub in der Bücherei, und wegen der Winterferien sind kaum Kinder gekommen, so dass ich wenig zu tun hatte. Da habe ich mir erst DosBox installiert, um einen alten DOS Rechner zu simulieren, und dann darin Free Pascal, das zu Turbo Pascal beinahe komplett kompatibel ist. Damit konnte ich die Sourcen mit wenigen Änderungen übersetzen, und das Spiel nach 25 Jahren zum ersten Mal wieder spielen.

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Es gab ein paar unerwartete Probleme: Wie man im Screenshot sieht, ist das Spiel in deutscher Sprache, und der Parser erwartet Worte wie öffne, Gemälde und Süden. In der Schule hatten wir deutsche Tastaturen, aber DosBox ist standardmäßig amerikanisch (erinnert sich noch jemand an KEYB GR?), und auf meiner Tastatur sind keine Umlaute, weil sie ein US Layout hat. Für die Ausgabe benutzt das Programm die Unit CRT, die in UCSD und Turbo Pascal für Ausgaben auf dem Textbildschirm (und die Funktion CLRSCR) nötig waren, und Free Pascal hat die unter DOS nicht standardmäßig installiert, weil sie in einem Verzeichnis mit dem Namen rtl-console liegt, dessen Name mehr als 8 Zeichen lang ist. Das zu diagnostizieren hat mich etwas Zeit gekostet.

Ich habe es bisher nicht geschafft, das Spiel zu gewinnen. Die Texte sind ein wenig peinlich, und der Quellcode auch, immerhin habe ich seitdem 25 Jahre dazu gelernt. Aber vielleciht pakce ich das Resultat doch ins Netz, einfach aus Spaß daran, dass diese Wiederbelebung geklappt hat.

Gesundheitswesen, Nachtrag

Nach meiner Geschichte habe ich einige Fragen bekommen, darunter vor allem “warum hat das so lange gedauert? Ist das normal?”.

Zur Einordnung: Ich hatte meine ersten Symptome im Februar 2016. Die OP im Januar 2019, also nach fast drei Jahren. Der Ablauf war in etwa so:

1. Ich war im Februar 2016 über lange Zeit im Krankenhaus zur Bestrahlung. Dabei wohnte ich im Hotel, das ans Krankenhaus angeschlossen ist, das sehr leckeres Essen hatte, und an meinem letzten Abend gab es Lachsfilets, und lauter andere Sachen, die ich gerne mag. Ich habe ausgiebig geschlemmt, und in der Nacht hatte ich schlimme Bauchschmerzen und habe mich übergeben. Da das Krankenhaus direkt ein Stockwerk unter dem Hotel lag, bin ich in die Nachtwache gegangen, habe denen gesagt, was los ist, und mich natürlich gefragt, ob das mit den Strapazen der letzten sechs Wochen Bestrahlung zusammenhängt. Der anwesende Arzt meinte, nein, das sei sicher vorübergehend, hat mir ein Schmerzmittel und eine Schlaftablette gegeben, und noch je zwei Dosen für unterwegs.

2. Es ist dann im Anschluss noch ein paar mal passiert, aber ich habe das immer darauf geschoben, dass mein Auge hungriger ist als mein Magen, und ich mich einfach überfressen hatte. Mit normalen Schmerzmitteln hatte ich die Situation auch meist nach ein bis zwei Stunden Unbehagen im Griff.

3. Zu dieser Zeit hatte ich auch eine Menge andere Stressfaktoren, ich war erst arbeitslos, dann in einem neuen Job, und immer noch über 50% krank gemeldet. Ich habe die Sache also verdrängt, und vorsichtiger gegessen, statt meinem Hausarzt davon zu erzählen. Mein Fehler.

4. 2017 kamen die Anfälle häufiger, und über Weihnachten beim Familienbesuch war es kein Spaß. Ich habe endlich mal meine Systeme im Internet nachgeschaut, und Gallensteine als mögliche Ursache entdeckt. Mit der Vermutung bin ich Anfang 2018 zum Arzt gegangen, der hat sich meine Leiden angehört, und kam unabhängig auf den selben Verdacht. Und sagte mir, dass man da am besten eine OP macht, wenn man das abstellen will. Aber erst einmal muss die Sache gründlich untersucht werden, dafür muss ich zum Spezialisten überwiesen werden, um eine Ultraschall-Untersuchung zu machen. Das hat er in die Wege geleitet.

5. Nachdem das Gesundheitswesen eine Weile gearbeitet habe, bin ich um Ostern herum zum Ultraschall geschickt worden (das Gesundheitswesen arbeite nur auf dem Briefweg), der Techniker hat mir den Bauch beschallt, und auf seinen Schirm gezeigt: Guck mal, du hast enorm viele Steinchen in Deiner Gallenblase. Das tut bestimmt weh. Bei der Menge solltest Du auf jeden Fall eine OP machen, und die Gallenblase entfernen.

6. Mit dem Ergebnis bin ich dann wieder zum Hausarzt, der immer noch meinte, meine beste Lösung sei eine OP. Hier sind sich also alle einig, prima, dann machen wir das. Aber das kann der Hausarzt nicht veranlassen, so eine OP muss von einem Gastrologen angeordnet werden. Zu dem werde ich überwiesen, und nach einer Weile kriege ich einen Termin im August. Weil da aber Sommerferien sind, und in Norwegen niemand in den Sommerferien arbeitet, wird der Termin um einen Monat verschoben. Dreimal.

7. Im November gehe ich also zur Gastrologie, und inzwischen kann ich es auch kaum abwarten, dass das Ding weg kommt, aber nein, es gibt noch keine OP. Der Gastrologe muss die ja erst anordnen, und das kann er erst machen, wenn ich mich dafür entschieden habe, nachdem mir allemeine medizinischen Alternativen erklärt wurden.

8. Dafür muss ich ihm zum ixten Mal meine komplizierte Krankengeschichte der letzten 10 Jahre erzählen, meine Symptome auflisten, und überhaupt: Das steht alles in meiner digitalen Krankenakte, die ja angeblich Bürokratie abbauen und das Gesundheitswesen optimieren soll, warum rede ich mir den Mund fusselig? Der Gastrologe sagt, ich hätte zwei Alternative: Entweder operiert man die Gallenblase komplett raus, was unkompliziert sei, oder ich habe mein Leben lang Schmerzen. Ich entschiede mich weiterhin für Umschlag A, weg mit dem Ding. Jetzt muss er mir nur noch einen Termin für die OP geben, denke ich, aber das macht die Verwaltung, denn da sind ja noch die Anästhesie und eine Menge andere Leute beteiligt, und das ist kompliziert.

9. Es wird 2019, und ich warte immer noch auf einen OP-Termin. Weihnachtsessen habe ich mit viel Vorsicht überlebt, aber trotzdem bin ich 2-3 mal pro Monat um den Schlaf gebracht. Die Anfälle dauern inzwischen länger, bis zu 8 Stunden, und ich habe vom Hausarzt Voltaren gekriegt, wovon ich die doppelte verordnete Dosis nehme, weil es sonst nicht hilft. Ich verpasse viel Arbeit, weil ich nur tagsüber schlafen kann.

10. Ich habe plötzlich 2 Anfälle kurz hintereinander, und mein Voltaren neigt sich dem Ende zu. Ungeduldig rufe ich das Krankenhaus an, wann denn mein Termin kommen soll, und kriege die Antwort, dass da noch nichts passiert sei, die Planung für Q2 machen sie erst zeitnah. Ich frage, ob es nicht vielleicht eher geht, und kriege noch einen Termin für Mitte März! Toll. Aber vorher muss ich noch zu einem Pre-operativen Gespräch, wo mir erklärt wird, welche Verhaltensmaßnahmen für den Tag der OP gelten (fasten, wegen Vollnarkose) und ich mit der Anästhesei über meine Medikamente spreche (stehen die nicht in meiner Akte? Doch, ja, aber ist Vorschrift). Das Meeting kriege ich für Ende Februar in den Kalender, prima.

Tegnehanne: legemidler
Comic stolen from Tegnehanne, without permission.

11. Auf die zwei Anfälle folgen in der selben Woche noch zwei weitere, und es wird mir zu bunt. Ich rufe erneut das Krankenhaus an, und frage, ob sie nicht eine Liste mit Ernstfällen haben, falls ein Patient absagt, dass man da reinrutscht? Ja, die gibt es, aber ohne das Pre-Op Gespräch nützt es nichts, da drauf zu sein, und das habe ich ja noch nicht. Kann ich am Montag kommen dafür? Seltsam, plötzlich geht das schnell. Ja, klar.

12. Montag also zu dem Gespräch gegangen, Krankengeschichte, Allergien und Medizin aufgelistet,zum fünften Mal im Leben erklärt bekommen, wie eine Vollnarkose funktioniert, dass man sich vor der OP ordentlich waschen soll, etc. pp.

13. Dienstag kommt ein Anruf vom Krankenhaus: Ob ich Mittwoch morgen um 7:15 zu einer OP kommen könnte, sie hätten eine plötzliche Absage gekriegt. Plötzlich geht alles schnell, ich sage alle meine Vorhaben für die kommende Woche ab, sorge dafür, dass ich die Unterstützung habe, die ich nach der OP brauche, und packe für einen Tag ohne Übernachtung im Krankenhaus, esse noch was zu Abend, ehe das Fasten für die Narkose beginnt.

14. Mittwoch. Nach noch einer fürchterlichen Nacht (Pizza essen war wohl verkehrt, obwohl es bisher nie Probleme gemacht hat) erscheine ich um 6:30 mit dem ersten Bus am Krankenhaus. Von hier an bin ich in der Hand von Menschen, nicht Bürokraten und einem namenlosen “Krankenwesen”, und alles geht super schnell und professionell von der Bühne, mit sehr netten Krankenpflegern und Ärzten. Nachmittags holt mich A. nach der Arbeit ab, nachdem mir das Krankenhaus noch Medikamente und Pflaster mit Anweisungen auf den Weg gegeben hat. Nicht bücken, keine schweren Sachen heben, beim Essen vorsichtig sein, fettes Essen meiden, über die nächsten 4 Wochen langsam herantasten. Okay.

Ist das Gesundheitswesen Schuld, dass es so lange dauert? Erst einmal habe ich zu lange gewartet, ehe ich mich an meinen Hausarzt gewendet habe, danach habe ich viel Zeit verloren, weil mir nicht immer klar war, dass ich eine Überweisung brauche, oder wer jetzt gerade den Ball in seinem Feld hat – Hausarzt oder Spezialist? Das ist für einen Einwanderer ohne Vorwissen nicht immer einleuchtend. Dann dauert es wahnsinnig lange, Termine zu bekommen, die in der Regel mehrfach verschoben werden, aus “unvorhersehbaren” Gründen wie Urlaub. Und es gibt zu viele vorgeschriebene In-Person Meetings, was diesen Umstand noch einmal verschlimmert. Die sind aus einer Zeit vor der Digitalisierung, da bin ich mir sicher. Die angedachte Vereinfachung des Systems durch den Einzug der Computer hat noch nicht stattgefunden, glaube ich. Oder man traut dem Braten nicht.

Positiv ist für mich immer, dass in Norwegen jeder die Behandlung kriegen kann, die er braucht, egal was er für einen Job hat, ob er privat versichert ist oder nicht. Aber das wird halt auch damit erkauft, dass die Krankenhäuser viel zu tun haben, und man Einsparungen durch die Politik ziemlich direkt bemerkt. Unangenehm finde ich wie gesagt, dass man selber drängeln muss, damit sich was tut, und dass das dann klappt, heißt ja auch, dass man noch schlechter dran ist, wenn man es nicht tut, wie es eigentlich in meiner Natur liegt.

 

Unregelmäßigkeiten

Es will nicht so recht klappen, das mit dem regelmäßigen wöchentlichen bloggen. Seit Weihnachten ist irgendwie der Wurm drin, das Jahr hat nicht gut angefangen, ich habe mir mal wieder zu viel vorgenommen für die Ferien, Arbeit fing zu früh wieder an, und krank war ich auch.

Ich gebe zu, dass ich neidisch bin auf Menschen, die es schaffen, regelmäßig zu bloggen, aber vielleicht bin ich einfach keiner von denen. Frau Rabe zum Beispiel schafft es, jeden Tag einen Artikel zu schreiben, seit Jahren *. Trotz, oder vielleicht gerade wegen Familie? Ich habe ganz einfach nicht jeden Tag etwas zu erzählen, dafür ist mein Leben viel zu sehr entschleunigt, fühle ich. Und am Wochenende habe ich mir dann, wie in den Ferien, oft so viel vorgenommen, dass für das wöchentliche Posting keine Zeit mehr ist. Ich muss mal andere Dinge probieren, glaube ich.

Ich setze mir also mal ein tägliches Posting als Ziel, und schaue einfach jeden Tag zu einer festen Zeit, ob ich etwas habe, um einen Absatz zu füllen. Wenn das nicht jeden Tag klappt, aber immerhin einmal pro Woche, ist das auch gut.


* Gratulation zur Hälfte von 2500!

Die neue Katzenklappe

Jetzt wo der Kater eine Woche alleine daheim bleiben muss, weil ich über Weihnachten nach Deutschland reise, musste endlich das Problem mit dem Futterdieb gelöst werden: Eine Katzenklappe mit Mikrochip-Leser musste her, gefunden auf zooplus.no. Und nachdem ich dann auch noch die Batterien gekauft habe, die nicht mit dabei waren, habe ich sie am Freitag eingebaut. Das Loch der alten Klappe war ein paar Millimeter zu groß, und ich bin nicht so toll im lange Löcher genau gerade bohren, aber mit ein wenig Spachtelmasse kriege ich das sicher hin, dass es nicht mehr ganz so schlimm aussieht.

Rufus ist einprogrammiert, und die Klappe öffnet sich jetzt nur noch für ihn, aber das Geräusch des sich öffnenden Riegels scheint ihn zumindest zu Anfang erschreckt zu haben. Und vielleicht ist der Ausgang ein wenig hoch angebracht, aber die Tür hat da so eine blöde Stufe, da war nichts zu machen.

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Linus ist dann auch pünktlich zum Abendessen gekommen, und hat geheult, als er die Tür nicht wie gewohnt aufdrücken konnte. Voller Erfolg!

dav

Woche 40: Gift und Galle

Seit Weihnachten plane ich jetzt, etwas gegen meine Gallensteine zu unternehmen. Ich habe an manchen Tagen höllische Schmerzen nach dem Essen, die zu 24 Stunden totaler Untauglichkeit führen, das muss aufhören. Anfangs wusste ich nicht, woran es liegt, hatte aber dank Google halt schon eine gute Ahnung. Ich bin also zum Hausarzt, der sofort die selbe Ahnung hegte, und mich an einen Spezialisten überwiesen hat, um eine Ultraschall Untersuchung zu machen. Nachdem eine Weile ins Land geht, bekommt man dann hier in Norwegen einen Brief mit dem Termin, der in der Regel ein paar Wochen bis Monate in der Zukunft liegt, und irgendwann im April oder Mai hat der Ultraschall Experte mir Bilder von einem ganzen Rudel Gallensteine gezeigt, die nur darauf warten, sich mit dem nächsten fettigeren Essen in meinen Darm zu stürzen. Er hat mir dann zu einer OP geraten, bei der die Gallenblase entfernt wird, etwas anderes sei da nicht zu machen, und die Gallenblase ist auch eher unnötig, kann also weg. Die OP müsse aber von meinem Hausarzt beantragt werden.

Mit dem Ergebnis bin ich also wieder zum Hausarzt, der mir auch zu einer OP riet, und die dann auch beantragen wollte. Die erneute Überweisung, diesmal zum Krankenhaus das die OP durchführen soll, ist im Juni ausgestellt worden, und im Juli bekam ich einen Brief mit Einladung, das ich Ende August doch kommen sollte.

Im August sind in Norwegen natürlich Ferien, das hätte auch den Planern beim Krankenhaus klar sein sollen, deshalb bekam ich dann Mitte August einen Brief in dem stand das “unvorhersehbare Gründe” zu einer Verlegung meines Termins auf Mitte November geführt hätten. Das passierte dann im November noch ein zweites Mal, obwohl gar keine Ferien mehr warne, aber am 3. Oktober hat es geklappt.

Auch wenn man mir mehrfach zugesichert hatte, dass so eine OP eine einfache Angelegenheit ist, und ich höchstwahrscheinlich noch am selben Tag wieder entlassen würde, habe ich für eine Übernachtung gepackt, und mir riesigen Stress gemacht. Dann die Ernüchterung: Ich komme ins Krankenhaus, und ein freundlicher junger Arzt bittet mich in sein Zimmer für eine Konsultation. Das ich mit der Hoffnung zu ihm kam, heute eine OP zu haben, hat ihn verwundert. Es müsse doch erst eine Konsultation stattfinden, und überhaupt, da wäre noch ein Packen Formulare auszufüllen. Das wäre bei jeder OP so.

Ich erzählte dem staunenden Arzt dann, dass sich das mit meiner Erfahrung aus anderen norwegischen Krankenhäusern überhaupt nicht deckt. Bei meiner Hirntumor-OP bin ich direkt in die Chirurgie eingeladen worden, wo es sofort zur Sache ging, und überhaupt, mein Hausarzt hat ja mit mir schon über die Risiken gesprochen, und alles was auf diesem Formular auszufüllen wäre (Medikamente, Allergien, frühere OPs), steht ja in meiner Patientenakte drin. Ja, das wäre wohl richtig so, aber es ist halt Vorschrift, dass der Patient von einem Experten beraten wird, und in diesem Krankenhaus macht man keine OP ohne Formular.

Ich habe mir also noch einmal die Risiken angehört, bestätigt, dass ich die OP immer noch möchte, und das Formular ausgefüllt. Aber warum konnte man mir so ein Formular nicht vorab in der Post schicken? Und warum steht in diesen Briefen nur, wann und wo ich einen Termin habe, aber nicht, wozu der Termin ist?

Ich war dann doch etwas enttäuscht, dass ich immer noch nicht durch bin mit der Prozedur. Bei der Geschwindigkeit, die das Gesundheitswesen hier an den Tag legt, bekomme ich die Einladung zum echten OP-Termin vielleicht noch gerade vor Weihnachten, und mit Glück ist die Gallenblase dann nächstes Jahr irgendwann draußen.

Zu Hause wieder angekommen fand ich im Briefkasten Post vom Krankenhaus: Mein Termin für das EEG am Montag kann aus Gründen (ich schätze mal, Herbstferien) leider nicht eingehalten werden, und ist auf nächsten Monat verlegt…

So viel mal zu dem tollen Gesundheitswesen in Norwegen. Immerhin hat die Sache nichts gekostet, denn ich habe neulich das jährliche Limit von 2500 Kronen (ca. 150 Euro) für Eigenanteile für Arztbesuche und rezeptpflichtige Medizin überschritten, da ist der Rest des Jahres umsonst. Wäre schön, wenn da auch noch die OP mit rein fallen könnte, aber so lang ist das Jahr wohl nicht mehr.

#WMDEDGT Oktober 2018

#WMDEDGT ist eine Idee von Frau Brüllen zur Förderung der Kultur des Tagebuchbloggens.

Ich habe für meine Verhältnisse gut geschlafen, bin nur einmal in der Nacht aufgewacht.

Um 7:40 klingelt mein Wecker, ich bin aber schon 5 Minuten früher wach, und erinnere mich, dass ich heute zum ersten mal bei #WMDEDGT mitmachen will. Während ich noch drüber grüble, dass das als Akronym nicht wirklich leicht von der Zunge rollt, geht der Alarm, und ich ins Bad. Medizin nehmen, anziehen, Treppe runter zum Frühstück.

Mein Frühstück ist wie die meisten Tage eine Tasse Kaffee und eine Schüssel gekochter Haferbrei, mit Rosinen und Apfelmus aus eigenem Garten, von dem ich dieses Jahr literweise gekocht habe, so dass mir fast die Gläschen ausgegangen sind. Seit heute ist aber wieder eins frei. Während ich esse, lasse ich die erste Kanne Tee für den Tag ziehen*.

Auch schon während des Frühstücks kommt Besuch: Linus, der kleine Kater aus der Nachbarschaft, spaziert durch die Katzenklappe ins Wohnzimmer und bedient sich beim Futterspender von meinem Kater Rufus. Das habe ich mir selbst zuzuschreiben, weil ich mir erst nicht viel dabei gedacht habe, als er vor ein paar Monaten das erste Mal kam, und mit Rufus gepielt hat. Er ist ein ganz niedlicher, lässt sich von jedermann streicheln und auf den Arm nehmen, und jagt sogar rote Lichtpunkte. Noch ein richtiges Kätzchen ist der. Aber er frisst halt bei mir, und das soll er lieber daheim tun, sonst ist er irgendwann nur noch hier. Die Besitzer hatten sich schon gewundert, bis wir auf Facebook in der Inselgruppe zueinander Kontakt gefunden haben**. Also greife ich jetzt zur Sprühflasche und verscheuche ihn, und er kommt nur noch in der Nacht zum fressen, was ich am gestiegenen Verbrauch sehen kann. Er sitzt dann auf der Veranda und wartet drauf, dass sein Freund zum spielen kommt, oder dass ich verschwinde.

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Nachbarkater Linus sitzt auf der Veranda vor der Katzenklappe.

Um viertel nach Acht bin ich fertig mit Frühstücken, und mit der ersten Tasse Tee im Homeoffice angekommen. Freitags arbeite ich von daheim, weil unser Büro in Drammen liegt, und die 3 Stunden Fahrerei mit den Öffentlichen reine Zeitvergeudung sind. Mein Internet ist hier besser, meine Kollegen sind in Oslo und Amsterdam, und der Kollege aus Drammen ist die meiste Zeit krank, aber diese Woche auch noch im Herbsturlaub.

Als erstes muss ich mal meinen eigenen PC abschalten, denn der ist über Nacht aus dem Standby aufgewacht. Das macht er gelegentlich, und ich habe noch nicht raus, ob es da ein Muster gibt, oder woran es liegen kann (außer natürlich an Windows). Dann aktiviere ich das Macbook für die Arbeit, denn ich halte privat und beruflich streng getrennt, wie sich das gehört, auch wenn das bedeutet, dass auf meinem Schreibtisch vor lauter Tastaturen, Mäusen und Laptops kein freier Platz ist. Entsprechend oft laufe ich jeden Tag ins Erdgeschoss, um mir neuen Tee oder etwas zu knabbern aus der Küche zu holen.

Mein Büro: ein Stuhl, ein Tisch, drei Monitore, Computer
Nicht abgebildet: Der Firmenrechner, der den letzten noch verfügbaren Platz belegt.

Ich bin Software-Entwickler, und heute ist ein normaler Arbeitstag, das heißt, ich habe eine Liste mit Dingen, die entweder kaputt sind oder neu gebaut werden sollen. Was ich genau mache, ist nicht so leicht erklärt, meine Familie weiss auch nur, dass das “was mit Computern” ist, aber ich versuche es mal: Unsere Firma macht Webhosting, und zwar in der Regel für Leute mit Online-Shops, die auf einem in PHP geschriebene CMS*** wie WordPress basiert sind. Wir sind etwas teurer als die Konkurrenz, dafür sind unsere Server weniger dicht mit Kunden bepackt, und erheblich schneller. Unsere Profis kümmern sich darum, dass der Server 24 Stunden am Tag erreichbar ist, die Software immer auf dem letzten Stand, und im Fall, dass mal etwas schief geht, der Kunde davon hört. Ich bin einer von zwei Vollzeit-Entwicklern, der andere ist der Kollege im Urlaub, der aber auch aus historischen Gründen noch Systemadministration macht, weil er die Firma mit gegründet hat, und weiß, wie alles funktioniert. Mein Chef E. sitzt in Amsterdam, und sucht von dort aus nach potentiellen Kunden, verkauft denen unseren Service, und hilft ihnen beim Einzug. Auch das ist historisch so entstanden, genau wie die Webseite, die den Kunden dabei hilft, sich einen Webserver einzurichten, da ihre Site aufzuspielen, SSL-Zertifikate zu kaufen, oder eigene Domänen anzulegen. Die Software dafür, das “Control Panel”, basiert auf einem CMS namens Drupal, von dem ich bis vor zwei Jahre auch noch nie gehört hatte. Aber es ist in PHP geschrieben, und PHP kann ich super gut.

Mein Job diese Woche sollte sein, dass unsere Administratoren die Server, die in unseren Rechenzentren stehen, einem Kunden zuordnen können, der dann exklusiv darauf Zugang hat, und dessen Software sich den nicht mit anderen teilen muss. Dazu gab es schon eine existierende Lösung, die ist aber von meinem Vorgänger geschrieben worden (oder vom Chef) und ist Mist. Da man das nicht in einem Tag aus dem Ärmel schüttelt (wir werden noch sehen, warum), ist da eine langsame Migration von der existierenden Lösung zu meiner neuen geplant, an der ich seit Montag arbeite.

Gestern habe ich quasi mitten im Gedanken aufhören müssen, und wenn das passiert, mache ich mir zum Feierabend Notizen dazu, was noch alles fehlt. Die lese ich also als erstes, sowie alle meine Mail und den Firmenchat, um zu sehen ob es neue Fehlermeldungen von unserem Support gibt, die vielleicht dringender sind als das, woran ich gerade arbeite. Ist aber nicht, meine Mail heute hat nur ein paar irrelevante Jobangebote, die ich lösche, und eine Nachricht von meinem besten Schulfreund aus Deutschland, die ich mir für heute Abend aufhebe.

Los geht’s! Ehe ich zu etwas komme, lege ich ein neues Ticket an in unserem System, für ein mögliches Feature, das mir gestern noch eingefallen war, weil es das gestern nur in die Notizen geschafft hatte. Ein Testlauf****, den ich über Nacht gemacht habe, hat zwei Fehler in meiner bisherigen Arbeit gefunden, damit fange ich an.

20 Minuten später kommt die erste Ablenkung: Wir benutzen zur Entwicklung eine VM*****, in der die Datenbanken für das Control Panel installiert sind. Wenn sich die Struktur der Datenbank ändert, weil z.B. neue Tabellen für ein Feature gebraucht werden, muss die Entwickler-Maschine die selben Änderungen mitmachen, die auch unser Produktionssystem bekommt. So eine Änderung hat es vor einigen Wochen gegeben, und der andere Entwickler hat sie zwar in der Produktion eingespielt, aber ich nicht in unsere VM. Denn neben der Programmiererei ist es auch meine Aufgabe, diese VM bereit zu stellen für mich, den Chef, wenn er auch gerade mal Lust hat etwas zu “helfen”, denn er hat den Code ja ursprünglich gemacht, und für unseren Frontend-Entwickler T, der in Oslo sitzt und gelegentlich mal Veränderungen an der Optik der Seiten macht. So wie heute, zum Beispiel. Da er seit Monaten keine aktuelle Version der VM mehr bei sich installiert hat, macht er das heute, und es klappt nicht. Ich weiß, dass es nicht klappen kann, weil ja die Datenbank nicht aktualisiert wurde, vertröste ihn auf später, setze mir meinen “Management of Development Infrastructure” Hut auf, und repariere in Handarbeit die Datenbank. Die fertige VM ist eine Datei von etwas über 16 GB, die ich ihm und dem Chef schicken muss, ich kopiere die also auf einen unserer Server in Oslo, und sage ihnen, wo sie zu finden ist. Das dauert bei mir eine halbe Minute, weil ich zu Hause tolles Internet habe, bei meinem Chef zehnmal länger, weil er in einem “richtigen” Büro sitzt.

Beim Chef klappt alles sofort, weil der schon die letzten Änderungen von mir alle brav mitgemacht hat. Bei T geht nichts, weil sein Stand veraltet ist, und auf seinem neuen Macbook alles neu eingestellt werden muss. Wir machen also Ferndiagnose im Chat******. Das ist total ätzend, weil ich so Meldungen kriege wie “es geht nicht”, dann zurück frage, was denn genau die Symptome sind, und fünf Minuten warten muss, bis ich eine Antwort kriege, die ich mit “dann probier mal das hier” beantworte, und so dauert das also echt lange, aber am Ende haben wir es repariert gekriegt.

Zwischendurch versuche ich, meine eigene Arbeit voran zu bringen, aber Multitasking kann ich einfach nicht, wenn einer der Tasks meine volle Konzentration braucht, und in diesem Fall sind das beide. Auf einem halben Hirn kann ich weder Ferndiagnose machen noch programmieren. Ich glaube, das Problem ist, dass die Reparatur für T eine Sache ist, die er neben allem anderen macht, was er sonst so arbeitet – Kundensupport, Telefonate, Marketing, usw., und entsprechend wenig von seiner Zeit fällt für mich ab, weshalb ich so viel Wartezeit habe. Wenn wir in einem Büro zusammen sitzen würden, wäre wahrscheinlich auch ihm klar, wie unhöflich das ist.

Zwischendurch wird es irgendwann zwölf Uhr, da mache ich Mittagspause. Heute gab es bei mir Spaghetti, denn da ist noch so ein Stückchen Roquefort im Kühlschrank, der riecht schon seit einer Weile sehr stark und muss mal weg, kommt also in die Soße. Ist sehr lecker gewesen, und es ist sogar immer noch etwas übrig vom Käse. Zum Nachtisch gehe ich irgendwann in einer Wartepause in den Garten und pflücke mir eine Tüte voller Äpfel vom Baum.

Um halb zwei (!) sind wir fertig, und Thomas kann an seinem Problem arbeiten. Ich könnte jetzt auch endlich mit der (geplanten) Arbeit anfangen, aber erst einmal brauche ich neuen Tee, die erste Kanne habe ich nämlich während der Warterei leer gekriegt.

Als ich wieder im Flow bin, meldet sich T, dass er den Fehler repariert hätte, und muss wissen, wie er ihn in unsere Sourceverwaltung eincheckt. Wir benutzen ein Quellcode-Management namens git, das ist nicht einfach, gehört aber sozusagen zur Grundausstattung jedes Entwicklers. Ich kann das besser als die meisten, und statt es zu lernen, kann man mich ja fragen. Immerhin macht er dann nichts verkehrt, wenn er meinen Anweisungen folgt. Es kommt also zu einer neuen Fernbedienung durch den Chat, wo ich ihm sage, was er tun muss, damit seine Änderung erst einmal auf unserem Testsystem landet, wo der Chef und ich uns ansehen, dass es funktioniert.

Danach beschließen Chef und T, dass sie das gerne in der Produktion haben wollen. Mir stellen sich die Nackenhaare hoch, denn eigentlich haben wir einen festen Zyklus für Releases, und machen die nur alle drei Wochen, denn dafür muss das Control Panel einmal offline genommen werden, alle Benutzer fliegen in der Zeit raus, und wenn etwas schief geht, muss es SOFORT repariert werden, egal ob Feierabend oder Weihnachten ist.

Wir haben aber für ganz schlimme Probleme, die nicht auf das nächste Release warten können, einen Prozess, mit dem man auch zwischendurch mal einen Fehler in der Produktion beheben kann. Es passiert immer mal was. Aber für eine rein kosmetische Verschönerung ist der nicht gedacht, diese Änderung erfüllt nicht die Mindestanforderung für das Risiko und den Aufwand, die das mit sich bringt. Ich bin der einzige, der das kann, und mache das in so einem Fall wie hier nur ungern, habe aber auch gelernt, dass Meckern und auf Prinzipien pochen hier quasi nie hilft. Man kann nur hinterher “I told you so” sagen, und so wirklich befriedigend ist das nicht.

Eine halbe Stunde später habe ich den Bugfix über die notwendigen Hürden gebracht, und unser System ist wieder online. Es ist zwei Uhr Nachmittags, ich habe es irgendwann zwischendurch geschafft, meine Änderungen von gestern so rund zu kriegen, dass ich sie einchecken konnte, und mich um meine kaputten Tests zu kümmern, aber richtigen Fortschritt habe ich noch nicht gemacht. Dafür knurrt mein Magen, aber da war doch noch was von dem Käse?

Gestärkt mit einem Butterbrot fange ich kurz vor drei an, meine eigene Arbeit zu machen. Der Rest von Norwegen macht jetzt gleich Feierabend, aber ich habe mir gerade einen Fehler in den Code gebaut, für den ich Montag den Kontext nicht mehr haben werde, egal wie viele Notizen ich mir mache, deshalb bleibe ich noch etwas dran. Sonst grübelt auch mein Hirn daran noch das ganze Wochenende weiter.

Inzwischen meint auch der Kater, dass jetzt Zeit für seine Fütterung sei. Du bist eine Stunde zu früh da, Kater, aber meinetwegen. Nach Feierabend kriegt er von mir immer sein Weichfutter, das mag er besonders gerne.

Um viertle vor vier stecke ich immer noch fest, Spotify spielt gerade “working in the coal mine”, und das Universum sagt mir, dass ich halt doch aufhören sollte. Weil draussen die Sonne sehr schön scheint, mache ich erst einmal einen Spaziergang quer über die Insel zu unserem Lieblings-Badestrand.

Fotos des Strands auf Husøy.
“Nebba”, die beste Badestelle auf unserer Insel, mit Sprungbrett, Leiter und schwimmender Platform.

Hier war ich schon eine Weile nicht, es hat viel geregnet, und wir hatten meist einstellige Temperaturen. Aber das Wasser fühlt sich nicht so kalt an, wie ich erwartet habe, vielleicht nehme ich nächstes Mal doch noch einmal die Badehose mit? Sogar die Badeinsel ist noch nicht wieder eingeholt worden, die Saison also nicht offiziell zu Ende, obwohl Herbstferien sind.

Auf dem Weg habe ich mein Hörbuch gehört und nach Vögeln Ausschau gehalten, die ich inzwischen auch ohne Buch identifizieren kann: Skjære und Piplerke. Und dann bin ich noch an dem Birnenbaum vorbei gekommen, den niemand erntet. Ein bisschen neidisch bin ich ja, Birnen wären auch mal lecker, und obwohl ich gerade vor Äpfeln nicht mehr weiss, wohin mit dem Kram, würde ich da wohl gerne etwas von ab bekommen. Ich kenne die Leute dort aber natürlich nicht, da bleibt es wohl beim träumen.

Norwegischer Garten mit prächtigem Birnenbaum.
Trotz Herbststürmen haben sich die Birnen an diesem Baum prima gehalten, aber jetzt müsste sie langsam mal jemand ernten.

Mein nicht enden wollender Test ist währenddessen fertig geworden, nach 20 Minuten. Das darf so natürlich nicht sein, aber immerhin hat er keine Fehler gefunden. Vielleicht kann ich dann jetzt um 17:30 Uhr doch endlich Feierabend machen.

Jetzt erst mal ein Schläfchen machen, ich bin gerade sehr relaxed, und erschöpft von einem Tag, wo ich fast nichts von dem geschafft habe, was ich geplant hatte, und für Abendessen ist es mir noch zu früh.

Eine Stunde später ist es dann doch Zeit, etwas zu essen, und ich habe noch von dem Broccoli-Linsen Curry übrig, das ich gestern gekocht habe. Das ist sehr lecker, und sollte auch noch für Morgen reichen.

Die ersten anderen #WMDEDGT Posts treffen schon ein, es ist Zeit, dass ich meine Notizen in einen Artikel verwandle, den ich jetzt noch posten und verlinken werde, und dann werde ich noch eine Weile wach bleiben, und entweder fernsehen oder ein Computerspiel spielen, wahrscheinlich mein eigenes. Um 9 mache ich mich fertig für’s Bett, morgen wird ein anstrengender Tag, an dem ich wieder einmal Kindern die schönen Seiten des Programmierens erklären will.

So ist das Leben als Software-Entwickler in einer kleinen Firma. Zum programmieren kommt man an manchen Tagen überhaupt nicht. Die ständigen Unterbrechungen rauben einem den ganzen Tag, und am Ende steht man mit vielleicht 10 Zeilen neu geschriebenem Code da.

 

* In Norwegen gibt es zwei Sorten schwarzen Tee, Earl Grey oder English Breakfast, beides in Beuteln und nicht lecker. Ich trinke aus Deutschland importierte Ostfriesentee-Mischung, die bei jedem Besuch kiloweise mitgebracht wird.

** Die Insel auf der ich wohne hat ca. 320 Haushalte, und die meisten davon sind in einer eigenen Facebook-Gruppe, wo man nach verlorenen Katzen, Fahrrädern oder Stofftieren fragen kann. Oder eben fragen, wem denn dieser Kater gehört, der da ständig zum Abendbrot kommt.

*** Ein CMS ist ein Content Management System. Das ist eine Datenbank voller Dinge wie Blogposts, Seiten, Produkte, Katalog-Kategorien, Preislisten, usw. je nach Zielanwendung, mit Software und Plugins, die daraus eine Webseite machen. WordPress ist eines der bekanntesten CMS, und mit ein paar Plugins kann man daraus z.B. im Netz einen Blumenladen machen, oder Autoteile verkaufen, oder, oder…

**** Wir machen bei uns TDD, das ist Test-Driven Development. Da programmiert man erst einen automatisierten Test für das geplante Feature, und wenn es fertig ist, soll der das melden. Wenn es kaputt ist, sagt der Test, was kaputt ist. Wenn ich sage “wir machen das”, dann meine ich eigentlich “ich mache das, alle anderen finden es doof”, aber daran arbeite ich noch.

***** Eine VM ist eine “Virtuelle Machine”, quasi ein Computer, der in Software emuliert wird, und sich verhält, als wenn man einen zweiten physikalischen Rechner hat. Das praktische daran ist, dass man diesen Rechner nur einmal installieren muss, und dann beliebig oft kopieren, so dass jeder  Mitarbeiter mit dem gleichen System arbeiten kann.

****** Wir benutzen Rocket Chat, das ist so ziemlich das gleiche wie Slack, also ein Messaging-System im Browser.

Woche 39: Entfreundet

Heute habe ich zum ersten Mal jemanden auf Facebook entfreunden müssen. Da ist jetzt keine lebenslange Freundschaft in die Brüche gegangen, oder so, das war eher ein entfernter Bekannter, den ich wohl so gut doch nicht kannte.

Hintergrund war ein Kommentar den ich zum aktuellen Geschehen in den USA geschrieben hatte, worauf der Betreffende meinte, sich über die Opfer von Vergewaltigungen lustig machen zu müssen – so etwas will ich nicht in meinen Kommentaren haben. Ich habe mein Konto bei Facebook hauptsächlich, um mit den Freunden aus aller Welt Kontakt zu halten, und nicht um solchen Mist zu lesen.

Mein Fehler war, hier jemanden in mein Leben zu lassen, den ich nicht gut genug einschätzen konnte, und nur oberflächlich kannte. Für solche Fälle, besonders wenn sie Kollegen oder Kontakte aus der Branche sind, habe ich eigentlich das LinkedIn Konto, wo politische Ergüsse sich zum Glück noch in Grenzen halten, und es niemand kümmert, dass ich ihn ignoriere.

Auf der Arbeit war die Woche von einiger Verwirrung geprägt, wie denn unser Geschäft eigentlich funktioniert. Unsere Software soll die Abläufe ja möglichst genau abbilden können, aber wenn der Chef keine Zeit hat, mir das zu erklären, kann ich auch kein neues Feature dafür schreiben. Seufz. Es haben immer noch alle in der Firma zu viele Aufgaben, und der Chef ganz besonders – vom Kundendienst über den Verkauf bis zur Software-Entwicklung hat der in allem die Finger drin, und für nichts richtig Zeit. Ich habe permanent zu viel auf dem Teller, und niemand, der es mir abnimmt, weil zu den Dingen die der Chef nicht schafft auch das Anstellen eines Junior-Entwicklers gehört. Das wird mir jetzt seit über einem Jahr versprochen, dass ich eine Entlastung kriegen soll.

Ich ersticke in Äpfeln, besonders nachdem am letzten Wochenende der Sturm noch einmal kräftig am Baum gerüttelt und auch die herunter geholt hat, an die ich mit dem Apfelpflücker nicht dran komme. Ich verarbeite also das Fallobst zu immer mehr Apfelmus, und dieses Wochenende wird ein Kuchen gebacken. Das Wohnzimmer steht derweil voll mit Kartons voller guter Äpfel, die bei Gelegenheit in den Schuppen gelagert werden sollen. Bald wird auch Gartenabfall abgeholt, bis dahin muss ich noch mal schauen, wie man so einen Baum beschneidet.