Am Wochenende waren in ganz Norwegen Kommunalwahlen. Was ich interessant fand, war die Weise, in der Wahlkampf betrieben wurde: Nicht nur standen auf jedem Marktplatz die Parteien mit ihrem Zelt, um Kaffee und Kuchen (und im Falle der Arbeiterpartei Rosen) an potenzielle Wähler zu verteilen, es gingen auch Leute von Tür zu Tür, um zu mobilisieren, wie ich das bisher nur aus den USA kannte. Ich kann mich allerdings auch nicht erinnern, in Deutschland je an einer Kommunalwahl teilgenommen zu haben, das muss ich jedes Mal wegen Auslandsaufenthalt verpasst haben.
Im Unterschied zu den USA darf ich hier als Immigrant auch an den Lokalwahlen teilnehmen, ohne einen norwegischen Pass zu haben. Ich wurde sogar speziell umworben, mit einem Brief, der betonte, dass in den letzten Jahren die Wahlbeteiligung unter Einwohnern mit Migrationshintergrund stetig gestiegen sei, und ich doch bitte dazu beitragen solle, dass das so bleibt. Selbstverständlich tue ich das!
Als Naturfreund und Radfahrer war mir schon lange vorher klar, wen ich wählen sollte, ich fühlte mich also gut vorbereitet. Als Erstwähler hätte ich mich trotzdem auch noch über den Modus informieren sollen, denn der unterschied sich doch deutlich von einer Briefwahl zum Bundestag oder Europaparlament.
Wie ich so bin, war ich 15 Minuten vor der Öffnung am Wahllokal, und entsprechend als erster in der Kabine. Wegen all der Leute, die hinter mir warteten, hatte ich leider keine Gelegenheit, den Aushang mit der Anleitung zum wählen zu lesen, der ungeschickt so an die Tür zur Turnhalle der Schule gehängt war, dass ich den Verkehr aufgehalten hätte, wenn ich ihn studieren wollte. Aber wie schwer konnte das schon sein?
In der Wahlkabine zieht man sich einen Wahlzettel passend zur Partei, der man seine Stimme geben will. Und dann kann man auf diesem Zettel noch einzelnen Kandidaten auf der Liste eine persönliche Stimme geben, die sich wohl auf die Sitzvergabe auswirkt? Da ich niemanden von denen kenne, und es so etwas wie abgeordnetenwatch.de in Norwegen offenbar nicht gibt, konnte ich damit nichts anfangen. Den Zettel muss man dann korrekt falten, wobei mir ein Wahlhelfer helfen musste, weil es genau eine Konfiguration gibt, in der die drei Seiten so arrangiert sind, dass man den Parteinamen nicht sieht, und der Stempel drauf gemacht werden kann. Ich gehe also mal davon aus, dass jeder in der Gemeinde weiß, für wen ich gestimmt habe.
Dann noch eben einen Ausweis vorzeigen (deutscher Reisepass), und Wahlkarte scannen. Das ging nicht, weil der Barcode-Leser nicht funktionierte, oder sie noch nicht raus hatten, wie er funktioniert, weil ich ja immerhin der erste Wähler war. Mit einem Laptop und meiner Personennummer (die ich schon lange auswendig kann) konnte meine Identität und Zulassung zur Wahl aber auch online gecheckt werden. Stempel auf den Wahlzettel, und ab in die Urne.
Die erste Hochrechnung kam 36 Stunden später, am Montag Abend. Es ist total ungewohnt, für eine Partei gestimmt zu haben, die bei der Wahl “gewinnt”, und wahrscheinlich in der Regierung sitzen wird. Kurzfristig sah es sogar so aus, als wenn sie die Fortschrittspartei (FrP) überholt hätten, aber das Endergebnis hat das leider nicht bestätigt. Trotzdem hoch zufrieden.